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Ich gebe auf – Vollzeit-Selbstständigkeit rechnet sich nicht

Nach langem Nachdenken und Rechnen habe ich eine Entscheidung getroffen:

Ich gebe Indiva Massage zum 15. Juli 2024 als Vollzeit-Selbstständigkeit auf

Es wird nur noch wenige Termine im Monat geben, die Stammkunden/innen und Gutscheineinlösern vorbehalten sind.

Durch die hohe Abgabenquote in Deutschland bleibt auch bei wochenlanger Ausgebuchtheit zu wenig übrig, um Rücklagen aufzubauen. Ich müsste die Preise um mindestens 30 % erhöhen … oder Massagen wie am Fließband geben – worunter die Qualität und meine Gesundheit leiden würden. Oder meinen Kunden verzweifelt zusätzlich Produkte verkaufen. Oder reich heiraten. Das ist alles nicht das Richtige.

Deshalb habe ich mir einen interessanten Job im Büro gesucht und massiere nur noch nebenberuflich.

Gültige Gutscheine können weiter eingelöst werden

Wer noch einen gültigen Gutschein hat, kann sich melden. Regelmäßig mache ich es abends oder samstags möglich, Gutscheine abzuarbeiten. Barauszahlung ist ausgeschlossen.

Auf den Gutscheinen ist der Hinweis auf eine Gültigkeit von 24 Monaten aufgedruckt. Schauen Sie auf das Ausstellungsdatum und rechnen Sie plus zwei Jahre – dann wissen Sie, ob er noch gültig ist.

Aufgeben trotz guter Auslastung? Wie ist das möglich?

Es viel mir schwer, zu dieser Entscheidung zu kommen, weil es ja eigentlich gut läuft: Wie meine langjährigen Kunden wissen, war ich immer 4-6 Wochen im Voraus ausgebucht, samstags auch 8 Wochen im Voraus. An Kunden hat es nie gemangelt, im ersten Quartal diesen Jahres gab es sogar einen Neukunden-Stopp.
Aber trotz dieser guten und beständigen Auftragslage und geringer Kosten durch die günstige Raum-Lösung, bleibt unterm Strich zu wenig übrig.

Von jedem erwirtschafteten Euro gehen Betriebskosten, Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer ab. Die Krankenkasse bekommt knapp 20% des Gewinns für die Beiträge zur Krankenversicherung, Pflegeversicherung und einen Krankengeldschutz. Und eigentlich müssten im Monat 600-700 Euro Rentenrücklagen übrig sein. Sind es aber nie.

Mir geht es nicht um jammern, ich habe das Problem ja nun gelöst. Mir geht es darum, Bewusstsein zu schaffen, warum Deutschland mit 8,3 % im Vergleich mit anderen Ländern eine so geringe Selbstständigen-Quote hat.  In den Niederlanden, Frankreich, Griechenland, Italien, Finnland usw. bleibt einfach mehr übrig.

Ganz plakativ kann man es so beschreiben:

  • Die 1. Woche arbeitetet man überwiegend für die Umsatzsteuer (bei dieser Form der Selbstständigkeit wo man wenig Kosten hat und vom Umsatz lebt, da kann man kaum Vorsteuer abziehen),
  • die 2. Woche ist für das Krankenversicherungspaket und die Betriebskosten.
  • Die Hälfte der 3. Woche geht drauf für die Gewerbesteuer und Einkommensteuer. Und demnächst soll dann noch der Umsatz der zweiten Hälfte der 3. Woche für die Raten der Rückzahlung der Corona-Hilfe verbraten werden, wenn wir den Rechtstreit verlieren.
  • Es bleibt noch die 4. Woche plus 2 Tage für den Lebensunterhalt bei bescheidenem Lebensstil.
  • Die 5. Woche für Rücklagenaufbau und Rentenvorsorge fehlt immer, von einem längerem Urlaub  mal ganz zu schweigen. Das ist die bittere Realität.

Bei aller Liebe – fünf Jahre im Krisenmodus sind genug

Ich liebe meine Arbeit. Meine Kunden wissen das. Aber seit 5 Jahren folgt eine Krise auf die andere: erst die Gewerbeverbote der Corona-Jahre, dann die Energiekostenexplosion, die Inflation, eine Operation… und eine Wirtschaftspolitik, die keine Aussicht auf Besserung erkennen lässt. Im Gegenteil: die grüne NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur tut weiterhin alles, um kleinen Soloselbstständigen durch den Rechtstreit um die Rückforderung der Corona-Soforthilfe den Rest zu geben. Diese wurde nachträglich in einen Zwangskredit umgewandelt durch das Land NRW. Dazu hier mein Blogartikel.

Volkswirtschaftlich ist es fatal für ein Land, das kleine Unternehmertum durch die hohe Abgabenqoute schon im Keim zu ersticken. Zusammen mit Belgien sind wir die Abgabenhöchsten unter den entwickelten Ländern. Wäre es möglich, Rücklagen aufzubauen, würde aus manch einer Kosmetikerin oder Masseurin irgendwann eine Arbeitgeberin mit größerem Salon werden. So wird das nichts.

Die meisten Wellness-Dienstleister sind nur nebenberuflich selbstständig

Laut Wellnessverband betreiben inzwischen 71 % der Kosmetikbetriebe ihr Gewerbe nur als Kleinunternehmer nebenher. Vor Corona waren es 60%.
Bei vielen liegt es keinesfalls an zu wenig Kunden. Versuchen Sie mal einen Fußpflege-Termin zu bekommen … Aber das einzige, was sich für kleine Dienstleister rechnet, ist die Kombination aus Festgehalt (damit ist die Krankenversicherung sichergestellt) und einer nebenberuflichen Selbstständigkeit als Kleinunternehmerin unterhalb der Umsatzsteuerpflicht. So mache ich das dann jetzt auch.

Danke für Ihre Treue und ihr Vertrauen

Es war eine schöne Zeit. Ein Privileg, meinen Traum von der Vollzeit-Selbstständigkeit als Wellnessmasseurin gelebt zu haben. Nun wird es Zeit für einen neuen beruflichen Schwerpunkt.

Ich bedanke mich bei meinen Kundinnen und Kunden für die vielen intensiven Begegnungen und freue mich auf meine neue Aufgabe im Backoffice einer Werbeagentur. Als gelernte Werbekauffrau bedeutet das: Back to the roots. Fühlt sich gut an.

 

 

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